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Zeitungsartikel

"DJ Jacko" vor dem Oltner Amtsgericht

«Diamond Dance Agentur, Labate Luigi, weltweite Disco- Veranstaltungen» - so lautet der Eintrag im Telefonbuch. Weit ist der weltgewandte Disco-Impressario mit Domizil in Olten jedoch nicht gekommen. Zurzeit sitzt er in der Solothurner Strafanstalt Oberschöngrün, im vorzeitigen Strafvollzug. Seine letzte grössere Reise führte ihn in Begleitung eines Polizisten ans Oltner Amtsgericht, wo er sich wegen einer ellenlangen Liste verschiedener Delikte verantworten musste.

Zeitungsartikel, erschienen im Brückenbauer, Regionalteil Aargau-Solothurn

Eigentlich heisst er gar nicht Luigi Labate. Das Pseudonym erfand der Angeklagte, nennen wir ihn Stefano Ricco*, weil er unter seinem richtigen Namen längst als nicht mehr kreditwürdig galt. Labate war nur einer von vielen Namen, die sich Ricco zulegte. Eine Zeitlang trat er auch als Flavio Casati auf. Wohlwissend, dass ein in Olten ansässiger Leiter einer Versicherungsagentur so heisst. Als dem Versicherungsmann Rechnungen für Dinge ins Haus flatterten, die er gar nie bestellt hatte, gab es jedoch Ärger. Ricco musste sich etwas Neues einfallen lassen. Er schrieb seinen Gläubigern (davon gab es immer mehr) und seinen Geschäftspartnern (davon gab es immer weniger), dass Flavio Casati für immer ins Ausland verreisen und das Geschäft einem gewissen Luigi Labate übergeben werde.

Aus 70 000 wurden 300 000 Fr. Schulden
Auf die Idee, sich als selbständiger Geschäftsmann zu versuchen, kam der heute 24jährige vor einigen Jahren. Damals plagten ihn Schulden in der Höhe von 70 000 Fr., und diese mit fleissigem Arbeiten zu tilgen, schien ihm zu mühsam. Nach einer gescheiterten Lehre als Fleischverkäufer warteten ohnehin keine lukrativen Stellenangebote auf ihn. Als Selbständigerwerbender, so hoffte Ricco, lasse sich schneller Geld verdienen. «Doch es wurde immer schlimmer», wie der Angeklagte vor dem Oltner Amtsgericht sagte. In den letzten drei Jahren stieg der Schuldenberg auf weit über 300'000 Fr. an.

Wenn auch stets das nötige Kleingeld fehlte, so war der junge Geschäftsmann nie um neue Ideen verlegen. Er handelte mit Dekorationsmaterial, führte im Kanton Aargau ein Video-Lokal und organisierte öffentliche Anlässe, auch wenn diese zum Teil gar nie stattfanden. Mit einem Hochglanzprospekt und in vielversprechenden Inseraten pries er einen Party-Service an, den es in Wirklichkeit nie gab. Für die einzige Kundin, die von dem Angebot Gebrauch machen wollte, wurde das Familienfest zu einer äusserst peinlichen Angelegenheit. Obwohl sie eine Vorschusszahlung geleistet hatte, traf das bestellte Taufessen nie ein.

Weder der Privatkonkurs noch der über die Firma Diamond-Decor verhängte Konkurs konnten Riccos geschäftlichen Eifer bremsen. Mal hiess seine Firma Diamond-Video, dann wieder Diamond-Versand, Diamond-Reisen, Diamond Dance AG und so weiter. Ob Billard-TIsch, Kaffeemaschine oder eine schmackhafte, 200 Fr. teure Fleischplatte als Zwischenverpflegung - Ricco bekam meist alles geliefert, was er bei immer neuen Geschäftspartnern bestellte. Samt Rechnung selbstverständlich, doch diese zu begleichen, war ihm schlichtweg unmöglich.

Als «DJ Jacko» ausgegeben
Dass Riccos Fantasie-Firmen meist das Wort Diamond, also Diamant, im Namen führten, war wohl nicht zufällig. Ricco hatte eine Vorliebe für die glitzernde Welt des Showgeschäfts. Zuweilen meldete er einen prominenten Tänzer oder einen Discjockey in einem Hotel an, mit der Bitte, diesen königlich zu behandeln. Als Adresse für die Rechnung gab Ricco eine seiner Fantasiefirmen an. Im Hotel erschien dann natürlich nicht der weltberühmte «DJ Jacko», sondern Ricco himself. Doch so richtig klappen wollte es mit diesem Trick nie. Das Hotelpersonal begegnete dem notorischen Betrüger und Zechpreller mit Misstrauen. Im Frühling dieses Jahres kam ihm bei einem dieser Abenteuer in der Ostschweiz schliesslich die Polizei auf die Schliche, Ricco wurde verhaftet. Das Gericht unter der Leitung von Gerichtspräsident-Statthalter Adolf C. Kellerhals hatte eine lange Liste von Delikten zu beurteilen. Zu den Betrügereien kamen auch einige ausgeführte und versuchte Einbrüche, das Erschleichen von Leistungen sowie eine Reihe weiterer Gesetzverstösse. Unter anderem steuerte Ricco jahrelang Autos, ohne einen Führerschein zu besitzen. Ricco vor Gericht: «Ich sagte mir: Ein Auto hat vier Räder, und wenn ich das Fahrzeug beherrsche, dann reicht das.»

«Normal arbeiten und leben»

Über seine Verhaftung sagte der junge Mann vor Gericht: «Jemand musste mich stoppen». Sein Verhalten erklärt er sich mit finanziellen und persönlichen Problemen. Der Verteidiger wies auf die schwierige Jugend des Angeklagten hin. Der Vater Italiener, die Mutter Schweizerin, zog die Familie ständig zwischen der Schweiz und Italien hin und her, unentschlossen, welches nun das richtige Land sei. Für Ricco hatte dies zur Folge, dass er weder hier noch dort in der Schule richtig mitkam und weder in der Schweiz noch in Italien dauerhafte Freundschaften schliessen konnte. «Ich wollte jemand sein», meinte Ricco. «Wenn man etwas Schlimmes macht, wird man bewundert, doch leider von der falschen Seite», lautet sein Fazit der letzten Jahre. Nach der Strafe will er nach eigenen Angaben nur noch eines: «Normal arbeiten und leben». Im Verkauf oder im Service möchte er arbeiten. Denn der Umgang mit Menschen, das sei seine Stärke.

Tatsächlich, man hat kaum Mühe, sich den offen, selbstsicher und nicht unsympathisch wirkenden Mann, den notorischen Betrüger, als gewieften Verkäufer vorzustellen. Doch vorderhand muss Ricco erst einmal seine 32monatige Gefängnisstrafe absitzen. Und der riesige Schuldenberg, der wird sich auch nach seiner Haftentlassung nicht einfach in Luft aufgelöst haben.

*Name geändert

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